Bezugnahme/Stellungnahme zum Entschließungsantrag der AfD im Niedersächsischen Landtag zum Thema „Bürgerkultur statt Soziokultur“
Liebe Mitglieder,
Liebe Zollhaus-Botschafter*innen und Freund*innen der Soziokultur,
Im Zusammenhang mit einem aktuellen Thema möchten wir euch kurz um eure Aufmerksamkeit bitten und die folgenden wichtigen Informationen mit euch teilen:
am Freitag, den 12.09.2025 wurde der Entschließungsantrag* der AfD mit dem Titel
„Subsidiäre und korporative Kulturpolitik stärken – Bürgerkultur statt Soziokultur“**
im Niedersächsischen Landtag zur ersten Lesung eingebracht.
*Kommen wir einmal kurz zu den genannten Begrifflichkeiten:
„Entschließungsantrag“ – wird häufig zur politischen Positionierung genutzt und ist ein parlamentarisches Instrument, mit dem Abgeordnete oder Fraktionen eine bestimmte politische Haltung oder Absichtserklärung zum Ausdruck bringen wollen.
„Subsidiär“ bedeutet: Aufgaben, die näher bei den Menschen sind (Kommunen, Landschaftsverbände), sollen mehr Verantwortung übernehmen und weniger aus Landesmitteln gesteuert werden.
„Bürgerkultur“ klingt im politischen Diskurs oft konservativer: Kultur der Bürger, Verwurzelung, Tradition, lokale Bräuche, kommunale Kulturpflege. Es suggeriert, dass der Fokus mehr auf überwiegend vertrauten, „heimatbezogenen“ oder „Volks-“ Kulturen liegen soll.
Im Gegensatz dazu steht die „Soziokultur“ für Offenheit, Vielfalt, Engagement, innovative und partizipative Formate, manchmal auch Experimente und auch kritische kulturelle Auseinandersetzung.
Die AfD fordert in diesem Antrag also „Bürgerkultur statt Soziokultur“ und möchte damit gleichzeitig die Förderungen des Landes Niedersachsen, u.a. für den Landesverband Soziokultur (und damit indirekt auch für uns) stoppen!
Nur die, nicht für alle zugängliche, Hochkultur** soll weiterhin gefördert werden. Die Kultur soll „verstaatlicht“ werden. Die freie Kultur und somit auch die niedrigschwellige und bezahlbare Kultur soll eingeschränkt werden.
Der kritische gesellschaftliche Diskurs ist der AfD ein Dorn im Auge.
Es ist zugleich erschreckend und beunruhigend.
Gerade die Soziokultur spielt eine zentrale Rolle, wenn es um Gemeinschaft und gesellschaftlichen Zusammenhalt geht. Sie ist weit mehr als reine Kultur – sie steht für gelebte Vielfalt, eine klare Haltung, praktische Teilhabe, Bildung, sowie für die aktive Mitgestaltung unserer Gesellschaft.
„Hochkultur“ bezeichnet im Allgemeinen die kulturellen Ausdrucksformen, die als besonders anspruchsvoll, kunstvoll oder intellektuell wertvoll gelten.
Beispiel: Ein Sinfoniekonzert in der Philharmonie gilt als Hochkultur, während ein Popkonzert eher der Populärkultur zugerechnet wird.
Was ist Soziokultur?
Soziokulturelle Arbeit ermöglicht Zugang und Teilhabe für alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder anderen individuellen Voraussetzungen. Hier geht es nicht um passiven Konsum, sondern darum, Menschen aktiv in kreative Prozesse einzubinden.
Niedrigschwellige Angebote, ehrenamtliches Engagement und offene Räume sind essenziell, um echte Beteiligung zu ermöglichen.
Soziokultur schafft Erfahrungsräume, in denen Demokratie, Teilhabe und Selbstwirksamkeit konkret erlebbar werden. Sie stärkt die Resilienz, fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eröffnet neue Perspektiven für ein gemeinsames Leben.
Soziokultur bedeutet Kultur von allen für alle – offen, gestaltbar und mit spürbarer Wirkung für unsere Gesellschaft. Sie ist ein unverzichtbarer Pfeiler einer lebendigen und funktionierenden Demokratie.
Die Reaktionen der Grünen, der SPD und auch der CDU in der Debatte im Landtag machen Mut; hier ein paar Zitate aus der Sitzung (das ganze Video findet ihr unten):
„Dieser Antrag ist ein Angriff auf die freie Kultur in Niedersachsen!“
(Ulf Prange, SPD)
„Dieser Antrag ist ein Angriff auf unsere kulturelle Infrastruktur! Er ist ein Angriff auf gelebte Demokratie und ein Angriff auf das Selbstverständnis Niedersachsens als Kulturstaat.“
(Martina Machulla, CDU)
„Dieser Antrag offenbart, dass die AfD Kunst und Kultur für ihre politischen Zwecke instrumentalisieren möchte und sich nicht einen Deut um die Kunstfreiheit schert.“
(Eva Viehoff, Bündnis 90/ Die Grünen)
Es scheint so, als würden sich alle demokratischen Parteien und Fraktionen gegen den Antrag verhalten, doch auch wenn dieser Antrag zum jetzigen Zeitpunkt keine direkten Auswirkungen hat, so ist die Taktik klar – er soll die freie Kultur schwächen und nach und nach immer mehr infrage stellen.
Gerade jetzt braucht es unsere und eure Stimmen. Denn Soziokultur ist kein „Nice to have“ – sie ist essentiell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt!
Unsere Arbeit steht für Haltung, für Offenheit, für gelebte Gemeinschaft. Und genau das gerät zunehmend unter Druck.
Erzählt allen, was unsere soziokulturelle Arbeit bedeutet – und vor allem: was sie EUCH bedeutet!
Danke.
Hier könnt ihr den Teil der Sitzung im Niedersächsischen Landtag als Video ansehen: